INA





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Editorial


Das INA orientiert sich an Überlegungen von Niklas Luhmann welcher postuliert, dass
"es keine richtigen Entscheidungen gibt, sondern nur Möglichkeiten (...). Und deshalb mag es sich empfehlen, Entscheidungen im Probierstil zu entwerfen, sie unter Revisionsvorbehalt zu stellen, sie an Lernmöglichkeiten auszurichten oder sie so zu wählen, dass sie mehr Wahlmöglichkeiten erzeugen als vernichten."


Jorge Luis Borges hat uns davor gewarnt, von Karten im Massstab 1:1 zu träumen, denn ein Wissen, welches die Welt „abdecken“ würde, wäre genauso dunkel wie die Welt selbst.


Platon (428/427–348/347 v. Chr.); Höhlengleichnis
Platon lässt Sokrates folgende Geschichte erzählen:
In (einer) Höhle leben Menschen, die dort ihr ganzes Leben als Gefangene verbracht haben. Sie betrachten die Schatten (auf der Wand) als Lebewesen und deuten alles, was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf der Wand abspielt, ist für sie die gesamte Wirklichkeit und schlechthin wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den Schatten und versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus Prognosen abzuleiten.
Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.


Wittgenstein, Über Gewissheit;
165. Ein Kind könnte zu einem sagen "Ich weiss, dass die Erde schon viele hundert Jahre alt ist", und das hiesse: Ich habe es gelernt.
166. Die Schwierigkeit ist, die Grundlosigkeit unseres Glaubens einzusehen.


Die Vorstellung einer "Natur im Gleichgewicht" ist vermutlich eine menschliches Phantasie, naheliegender sind Überlegungen von Erich Jantsch, dass
"gesunde" und widerstandsfähige Ökosysteme sich in der Regel fern vom Gleichgewichtszustand (befinden)(...). Je näher das System dem Gleichgewichtszustand kommt, desto weniger widerstandsfähiger wird es (...)."


Sinn des Lebens
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik.
Von Steven Pinkert. nzz 5. januar 2017
(…) Warum diese Ehrfurcht vor dem zweiten Hauptsatz? Weil er den letztgültigen Zweck des Lebens, des Geistes und des menschlichen Strebens definiert: den Einsatz von Energie und Information zur Bekämpfung der Entropie und zur Schaffung von Schutzräumen sinnvoller Ordnung. (…)
Entropie

Werkzeug 1
Ockhams Rasiermesser
- Von mehreren hinreichenden möglichen Theorien, für ein und denselben Sachverhalt, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.
- Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.

Werkzeug 2
HANLONS RASIERMESSER
Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was ausreichend durch Dummheit erklärt werden kann.



Zeit Splitter

Die Organisation des Irrationalen
nzz 2024_0806 (Alexander Gerau)
(...) Denn das Ziel gesellschaftspolitischer Debatten ist nicht maximale Wissenschaftlichkeit oder Rationalität. Ziel demokratischer Prozesse ist es vielmehr, eine Vielzahl irrationaler, von Ängsten, Hoffnungen und Sorgen bestimmter Haltungen unter einen Hut zu bringen.
Man könnte auch sagen:
Politik ist die Organisation des Irrationalen.(...)


Großes Schweigen
DIE ZEIT 19. September 2024 N° 40, Bernd Ulrich
(...) das zentrale Versprechen (wird) brüchig, die ökologische Krise könne abgewendet werden, ohne dass an anderen Stellen gespart werden muss und ohne dass die Menschen ihre Lebensweise ändern müssen. (...) Die klimapolitische Glaubwürdigkeit erodiert in dem historischen Moment, da erstmals ein bisschen Ernst gemacht wird mit der Transformation. Und paradoxerweise gleichzeitig sich die ungeheure Wucht der Klimakrise zeigt. Nun hegen viele Menschen einen Verdacht: Sie glauben, dass sie doch ihre Lebensweise ändern sollen, sie glauben, dass Klimaschutz, Klimakrisenprävention und Klimaschäden in summa so viel kosten, dass es ohne grundlegende Umschichtung in den Haushalten und ohne beträchtliche Umverteilung von oben nach unten nicht zu schaffen ist. (...)


nzz 2024_0410, Herbie Schmidt
Autonomes Fahren
(…)fahrerlosen Autos im Strassenverkehr. Seit dem Rückzug von Cruise und der Zurückhaltung von Waymo herrscht weltweit Ernüchterung ob der langsamen Fortschritte von fahrerlosen Autos im belebten Strassenverkehr. «Mittlerweile hat sich die Erkenntnis breitgemacht, dass die Entwicklung autonomer Fahrzeuge nicht in zwei oder drei Jahren erledigt ist, sondern eher in zehn oder zwanzig Jahren», sagte Philip Koopman, Professor an der Carnegie- Mellon-Universität in Pittsburgh,(...).

zurück in die Zukunft
tages anzeiger 2011_0324
Constantin Seibt zitiert den Bankier Hans J. Bär zu den Millionen Boni der Firmenchefs,
dies sei ein: "Klassenkampf von oben" und urteilt: "Es fehlt die Anmut beim Stehlen."

nzz 2024_0209 (Hans-Rudolf Zulliger, Physiker und Nuklear-Ingenieur)
(…)
Einige Gegner des neuen Stromgesetzes propagieren als Alternative neuartige Atomkraftwerke. Als Nuklear-Ingenieur und Physiker entgegne ich hier: Wer auf neue Atomkraftwerke setzt, fährt eine Hochrisikostrategie. Und damit meine ich nicht einmal das Risiko eines atomaren GAU, den radioaktiven Müll oder importiertes russisches Uran.
Wer jetzt auf neue Nukleartechnologie setzt, wettet auf ein Kraftwerk, das frühestens in 25 Jahren Strom liefert.
(…)

Homöopathie 1
Kausalität, Korrelation und Koinzidenz
Vorab: Der Placebo-Effekt von Scheinmedikamenten ist ausreichend belegt und findet auch in der Schulmedizin Anwendung.
In der NZZ vom 25.01.2024 zitiert Dennis Hoffmeyer, unter dem Titel "Auch Goethe empfindet eine "lebhafte" Wirkung", aus einem Brief von Goethe: "Ich glaube jetzt eifriger den je an die Lehren des wundersamen Arztes (Samuel Hahnemann),seitdem ich die Wirkung einer allerkleinsten Gabe so lebhaft gefühlt und immer wieder empfinde." In einem Leserbrief (NZZ vom 5.2.2024) breitet Fritz Egli den Kontext zu dieser Aussage aus. Die Zeilen von Goethe beziehen sich auf ein Geschenk des Ehepaares Willemer, einer Haarlocke der Marianne von Willemers in einem amulettartigen Medaillon. "Eine feine Ironie liegt (...) darin, dass es ja nicht um eine Heilung ging, sondern um das beglückende Wiederaufrufen schöner Erinnerungen."

Homöopathie 2
Tagesanzeiger 2024_0912, Markus Brotschi
> (...) Klar ist, dass die Komplementärmedizin bei den Gesundheitskosten kaum zu Buche schlägt. Der Kostenanteil liege im Promillebereich, sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider. Die jährlichen Kosten zulasten der Grundversicherung betragen rund 18 Millionen Franken, bei Gesamtkosten der Grundversicherung von rund 40 Milliarden.(...)

Ausgehend vom Artikel in der nzz 2024_10129,
Hinweise zu drei Bauprojekten:
Die unendliche Geschicht der Atomkraftwerke, oder:
Lieber begehen wir die Fehler, die wir schon kennen,
denn etwas Neues zu versuchen.

– England
Im März 2013 wurde die Erweiterung von Hinkley Point um zwei weitere Reaktoren (Hinkley Point C1 und C2) mit zusammen 3260 MW genehmigt. Die Baukosten wurden auf ca. 18 Milliarden 20,9 Mrd. Euro veranschlagt. Nach mehreren Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Bau ging EDF im Februar 2023 von Baukosten in Höhe von 37,9 Mrd. Euro und einer Inbetriebnahme im September 2028 aus.
– Frankreich
Baubeginn Kernkraftwerk Flamanville in der Normandie Ende 2007. Électricité de France prognostizierte eine Fertigstellung 2012 und Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.
Im Dezember 2022 wurde bekannt, dass die Mehrkosten auf 10 Milliarden und die Gesamtkosten damit auf voraussichtlich 13,2 Milliarden ohne Finanzierungskosten von rund 5 Milliarden € steigen. Die Befüllung mit Brennstäben ist Mitte 2024 geplant.
– Finnland
Offizieller Baubeginn für Block 3 in Olkiluoto war der 12. August 2005. Als Kaufpreis wurden ursprünglich etwa 3 Milliarden Euro für ein "schlüsselfertiges" Kraftwerk vereinbart und damit einige wesentliche Herstellungsrisiken auf die ausführenden Firmen verlagert.Die Fertigstellung wurde für 2009 vereinbart.
Als der Reaktor am 18. Februar 2022 schließlich seinen Probebetrieb aufnahm, waren die Investitionskosten auf das nahezu Vierfache der ursprünglich geplanten Summe gestiegen. Sie betrugen circa 11 Milliarden Euro.
Quelle zu allen 3 Projekten: de.wikipedia.org
AKWs sind die Dombauten der Neuzeit



die zeit n°48 2023_1116, E. Finger
Israels Dilemma
(...) Es ist ein tragischer Konflikt, in dem es keine Option gibt,
schuldfrei zu handeln. (...)

nzz 2023_1019b, Žižek beklagt den «Ausschluss Andersdenkender»
Rede von Slavoj Žižek an der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse

"Der slowenische Philosoph (...)ergriff das Wort, brach den vorherrschenden Konsens und provozierte erst Zwischenrufe und bald Stühlerücken, als ein Teil des Publikums den Saal verliess."
Anlass zur Empörung war einmal mehr die Konjunktion "aber". Aus dem Publikum kam der Einwand, dass man "angesichts des Leids in Israel schlicht noch nicht in der Lage (sei) (...), über eine Kontextualisierung nachzudenken."
Es gelte jetzt, "die Hamas Massaker (...) - als Synonyme für das absolut Böse zu betrachten."
Dazu hat Friederich Nitzsche den Merksatz geschrieben: “Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”
Der amerikanische Präsident hat in seiner Rede, anlässlich seines Besuches in Israel, einen Hinweis gegeben wo die Gefahren des temporären "Nachdenkverbotes" lauern. Er hat Israel gebeten, sich nicht von der Wut auffressen, vom Hass leiten zu lassen. Die USA hätten als Reaktion auf 9/11, aufgrund dieser Beweggründe Fehler gemacht: "(...) we made also mistakes".
Die Aufforderung, die Hamas als die Inkarnation des "absolut Bösen" zu deklarieren nimmt als Kollateralschaden die Entmenschlichung der Angreifer in Kauf und öffnet das Tor zu ebenso verabscheuungswürdigen Taten, im Namen der Gerechtigkeit.
Wenn im Tagesanzeiger vom 19.10.2023 der Schriftsteller Thomas Meyer sagt: "Aber dieser entfesselte Hass, diese absolute Bösartigkeit, das, was wir am 7. Oktober erlebten, ist durch nichts zu rechtfertigen.", zeigt sich die Aussichtslosigkeit alle Erscheinungsformen menschlichen Tuns adäquat zu kommentieren.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Firnis unserer Kultur immer wieder bricht, menschliches Verhalten uns rat- und fassungslos macht.
Der Kampf gegen das Ungeheure ist auch immer ein Kampf gegen das Ungeheuer in uns.
Hinweis:
Sternstunde Philosophie vom 29.10.2023 SRF
Omri Boehm, lässt sich ohne Hass über Nahost sprechen?

2023_1017,2023_1020 Heinz Baumann
Gedanken zum Überfall der Hamas auf den israelischen Staat

Kriege führen zwanghaft zu eindeutiger Parteinahme. Die Angreifer werden dämonisiert, die Eigenen heroisiert, dies obwohl allen bewusst sein müsste, dass es Kriege ohne Kriegsverbrechen nicht gibt; Zivilpersonen werden verschleppt, Gefangene erschossen, Frauen vergewaltigt, Spitäler, Schulen und Wohnhäuser bombardiert.

Wenn Kollektive ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen wollen scheint die Dämonisierung, Entmenschlichung der Anderen notwendig. Die Anderen sind Teufel, Bestien, Tiere oder einfach nur Ungeziefer, deren Tod notwendig wenn nicht sogar Gottgewollt ist.

Der israelische Staat steht nun vor der schwierigen Entscheidung wie auf den Angriff der Hamas reagiert werden soll. Wieviel Leid und Tod verursacht eine militärische Intervention unter der Bevölkerung in Gaza um längerfristig einen Zustand von "Sicherheit" zu erreichen, ohne dass das menschenverachtende, strategische Kalkül der Hamas, die Opfer an der eigenen Zivilbevölkerung im Kampf gegen Israel einzusetzen, aufgeht.

Es bleibt zu hoffen, dass Israel einen Weg findet Sicherheit für die Bevölkerung herzustellen ohne sich eine Last aufzubürden die zukünftige Möglichkeiten allzu stark einschränkt.



Die Robotaxis stauen sich in San Francisco (nzz, 19.08.2023)

(...) Ärger hat es in San Francisco schon bei den ersten Fahrten von Robotaxis im Juni 2023 gegeben, als die Bewilligung nur fÜr den Nachtbetrieb von Cruise galt. Die Feuerwehr berichtete von Zwischenfällen, bei denen ihr Rettungsdienst von Robotaxis behindert wurde. Sie kritisierte, dass die fahrerlosen Taxis gelbe Absperrbänder durchfuhren, Warnschilder vor Strassen mit sturmgeschädigten Stromleitungen ignorierten, Feuerwehreinfahrten blockierten oder auf einem Feuerwehrschlauch im Löscheinsatz parkierten. (...)
(...) Ende Juni kam es in San Francisco zu einem weiteren Zwischenfall beim Fahrdienst Cruise. Eine Reihe von Robotaxis traf sich auf einer der Strassen und blockierte die Fahrbahn. Das Unternehmen führte dies auf einen Fehler im Cruise- Algorithmus zurück, der Elemente künstlicher Intelligenz enthält. (...).

Nur mit Regeln ist automatisiertes Fahren ein Segen (nzz, 01.11.2017)

(...) Demgegenüber erachten es die Fachleute als «fragwürdig», ob die Automatisierung angesichts des komplexeren Mischverkehrs die Leistung von Haupt- und Nebenstrassen zu steigern vermag. Ohne eine sorgfältige und fortwährend angepasste Definition der Rahmenbedingungen habe die Automatisierung des Strassenverkehrs namentlich in Städten sogar das Potenzial, den Verkehr lahmzulegen – unter anderem weil Fahrzeuge plötzlich auch leer verkehren könnten. (...)


Eduard Kaeser (nzz, 20.07.23)

Die Unbegreiflichkeit unserer Maschinen
(...) Wir wissen mittlerweile ziemlich gut Bescheid über Rechner, aber wir wissen noch lange nicht, wie das Gehirn funktioniert, und selbst wenn wir es wüssten, bedeutete das nicht, dass das Gehirn ein Rechner ist. Der Rechner ist nüchtern gesehen eine heuristische Metapher. Und wenn wir die Metapher mit dem verwechseln, wofür sie steht, dann erliegen wir einer epochalen Missdeutung. (...)


hb 2022_0816
Frei nach dem Star Trek Motto "Where no man has gone before" wird uns in Schrift und bewegten Bildern die Reise in ferne, kosmische Spähren beschrieben. Der "kleine Hüpfer" auf den Mars erscheint da nur als Randbemerkung zu viel Grösserem.
Ein kleines Problem bleibt, welches uns auch dem heimischen Raumschiff Erde beschäftigt, die Frage nach der ENERGIE.
Es ist alles so unglaublich weit weg, da bräuchte man Raumschiffe die so richtig schnell fliegen.
Nur um Geschindigkeit zu erlangen braucht's Energie. Ca 25'000 Tonnen Wasserstoff braucht es
um 1 kg Masse auf einen Viertel der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen.
Details im Link nebenan unter E=m*c^2


Ob jemand zu Verschwörungstheorien neigt ist nicht eine Frage der politische und/oder weltanschaulichen Haltung.


woz Nr.. 12/2010
Karl W. Deutsch aus "Nationalism and its Alternatives" (1969):
"Eine Nation...ist eine Gruppe von Personen, vereint durch einen gemeinsamen Irrtum über ihre Vorfahren und eine gemeinsame Aversion gegenüber ihren Nachbarn."


Neue_Zürcher_Zeitung_2021-11-23
Am letzten Freitag ist der 18-jährige Kyle Rittenhouse von den Geschworenen in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Er hatte am 25. August 2020 während eines nächtlichen Anti-Rassismus-Protests in Kenosha, Wisconsin, zwei Männer mit einem AR-15-Gewehr erschossen und einen verletzt. Nach vier Tagen Beratung – eine ungewöhnlich lange Zeit für eine Jury – sprachen die Geschworenen Rittenhouse vom Vorwurf des Mordes, des versuchten Mordes und des Totschlags frei. Der Angeklagte habe von seinem Grundrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung Gebrauch gemacht. (...) es (ging) im Fall Rittenhouse gar nicht um «Black Lives». Alle Beteiligten waren Weisse, was natürlich nicht ausschliesst, dass Rittenhouse ein weisser Suprematist ist. Die Frage ist aber: Hat der junge Mann zwei Menschen aus niederen Beweggründen und im Glauben an die Überlegenheit der eigenen Rasse getötet? Genau diese Frage haben die Geschworenen verneint. Trotzdem werden auch in der Debatte um Rittenhouse die Hautfarben gegeneinander ausgespielt. Es wird «Blackness» evoziert, wo keine ist, und es wird «Whiteness» betont, wo es gerade passt. Nur wenige Stimmen wie die Zeitschrift «The New Yorker» oder der unabhängige Journalist Matt Taibbi versuchten ein differenzierteres Bild zu zeigen.
Man hätte im Zusammenhang mit dem Fall Rittenhouse durchaus die laschen amerikanischen Waffengesetze kritisieren können, die es auch Minderjährigen unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, eine Schusswaffe zu tragen.


Bernd Stegemann (nzz, 08.11.21)

Linke Identitätspolitik (versus rechte ...)
(...) es braucht (...) eine grössere Diskursfähigkeit, um linke Identitätspolitik betreiben zu können, weil man dabei immer diesen Doppelschritt machen muss: zunächst zu erkennen, dass jede Identität ein Konstrukt ist, dann aber selbst eine Opferposition zu konstruieren, die ihrerseits auf gar keinen Fall dekonstruiert werden darf. Das ist in der Tat raffiniert, weil man je nach Belieben zwischen zwei Positionen hin und herspringen kann: Mal schiebt man die Opferposition nach vorne, weil man einen Vorteil davon hat, etwa wenn es um die Besetzung von Posten anhand einer Quote geht. Wenn man aber von anderen auf das Geschlecht oder die Ethnie reduziert wird, klagt man über Rassismus oder Sexismus.


Thomas Ribi (nzz, 02.08.21)

Sinn Suche
Es scheint, als ob wir nicht leben könnten ohne den Verdacht, alles, was sich ereignet, lasse sich schlüssig erklären – ein Verdacht, der sich zu der quälenden Gewissheit steigert, der Welt liege ein Sinn zugrunde. Obwohl man sich eine Welt, in der das so wäre, nur mit Schaudern vorstellen wird. In einer solchen Welt wäre immer klar, was weshalb geschieht. Es wäre fraglos, wer wofür verantwortlich ist. Die reine Hölle.

Autonomes Fahren

Carsten Breitfeld (nzz, 05.06.21)

Werden Systeme die (...) autonomes Fahren (Level 5) ermöglichen so schnell kommen, wie Tesla behauptet?
Vollautomatisiertes Fahren, so genanntes Level 4* und darüber, das ist eine völlig andere Welt. Sie werden irgendwann möglich werden, aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren dürften erst einmal nur Subsysteme in bestimmten Testgebieten und unter einschränkenden Randbedingungen eingesetzt werden, jedoch wohl kaum flächendeckend.
*Level 4 ist die Vorstufe zum autonomen Fahren, bei der das Fahrzeug den überwiegenden Teil seiner Fahrt selbständig navigiert. Die Technologie für das automatisierte Fahren in Level 4 ist soweit weiterentwickelt, dass das selbstfahrende Auto sogar hochkomplexe urbane Verkehrssituationen, z. B. plötzlich auftretende Baustellen, ohne Eingriff des Fahrers meistern kann. Der Fahrer muss dennoch fahrtüchtig sein, um im Bedarfsfall die Fahraufgabe übernehmen zu können.

Level 1: Assistierter Modus. Bestimmte Assistenzsysteme helfen bei der Fahrzeugbedienung
Level 2: Assistierter Modus. Teilautomatisierung. Funktionen wie automatisches Einparken, Spurhalten, etc.
Level 3: Automatisierter Modus. Das System übernimmt, zum Beispiel, auf der Autobahn bis zu 60 km/h bei guten Witterungsbedingungen die Fahrt. Ab 2017 in Deutschland zugelassen.
Level 4: Autonomer Modus. Hochautomatisierung. Die Führung des Fahrzeugs wird dauerhaft vom System übernommen.
Level 5: Autonomer Modus. Vollautomatisierung. Kein Fahrer erforderlich. Außer dem Festlegen des Ziels und dem Starten des Systems ist kein menschliches Eingreifen erforderlich.
   


tlu. (nzz, 18.04.21)

Korrelation versus Kausalität
Wer in der Lebensmitte regelmässig Sport treibt, kann sein Demenzrisiko senken – dies haben verschiedene Arbeiten gezeigt. Eine neue Studie kommt nun zu einem anderen Schluss. 1714 Frauen unterzogen sich während 20 Jahren mehrmals Gedächtnistests («Jama»). Ein Zusammenhang zwischen dem kognitiven Abbau und der sportlichen Aktivität liess sich aber nicht feststellen, auch dann nicht, wenn Hormon- und sozioökonomischer Status sowie andere Risikofaktoren berücksichtigt wurden. Möglicherweise habe man in früheren Studien die umgekehrte Kausalität übersehen, so die Autoren. Demnach verhielte es sich so: Wer geistig abbaut, treibt auch weniger Sport


Claudia Wirz (nzz, 12.04.21)

Man konnte, im Zweiten Weltkrieg, auf den Fussballfeldern oder dem Sechseläutenplatz so viel Ackerfrüchte anpflanzen, wie man wollte, der Selbstversorgungsgrad der Schweiz stieg nur geringfügig von 52 auf 59 Prozent. Und auch das war nur möglich, weil der Plan eine deutliche Senkung der Kalorienzahl pro Tag und Kopf einpreiste.
(Ergänzung von hb: Gemäss BWL (2016) ist der Grad der Selbstversorgung auch heute noch relativ konstant unter 60%)


Bernhard Pörksen (nzz, 12.08.2020)

Meinen und Behaupten in unserer Zeit. Die polemisierende Kulturkritik leidet unter Wirklichkeitsverlust. (…) Aber was ist das überhaupt, die Realität? Gefragt hat dies einst eine Philosophiestudentin den Science-Fiction- Autor Philip K. Dick, einen Meister im Entwerfen imaginärer Welten. Allerdings bestand die Studentin auf einer Ultrakurzdefinition. Nur ein Satz, mehr dürfe es nicht sein, so verlangte sie. Schliesslich lieferte Philip K. Dick die Summe seines Nachdenkens: «Realität ist das, was nicht weggeht, auch wenn man nicht daran glaubt.» .


Eduart Kaeser; (nzz, 30.05.2020)

Künstliche Intelligenz bleibt uns zutiefst fremd. Wir schaffen mit ihr im Grunde unsere eigenen Aliens. Und diese Aliens werden sich, trotz allen Bemühungen, wahrscheinlich nicht unserem Alltag angleichen. Eher passen wir unseren Alltag ihnen an. Das Problem sind also nicht superschlaue Maschinen, sondern subschlaue Menschen.


James Montier; Ökonom (nzz, 23.12.2018)

«In klinischen Studien wurde eine Gruppe von Menschen ausfindig gemacht, die die Realität so wahrnehmen, wie sie wirklich ist.» Es seien die klinisch Depressiven. «Dies lässt uns eine wenig beneidenswerte Wahl – entweder sind wir glücklich und verblendet oder traurig und akkurat.» Anleger in ihrer Gesamtheit seien viel zu optimistisch. «Wenn Investoren eine Hymne hätten, wäre diese fast sicher «Always Look on the Bright Side of Life.»


Und Luxus brauchen Sie nicht? (nzz, 15.08.2018)

Ein Einfamilienhaus, ein Auto, das mich von A nach B bringt, eine tolle Familie.
Ich habe alles, was ich brauche.
(Christian Stucki der stärkste Schwinger der älteren Generation)


Wie klingt Musik in künstlichen Ohren? (nzz, 28.07.2018, Adrian Lobe)

In der Vorstellung von selbständig agierenden «Denkmaschinen» zeige sich eine Art Animismus, wie ihn weniger industrialisierte Kulturen pflegen. Künstliche Intelligenz sei daher gewissermassen «Animismus für die Reichen», (...).
KI (vermag) immer noch nicht Metaphern oder Ironie zu verstehen. Bei einem Witz lache jeder, nur die KI nicht. (–> mehr)
Da sitzen zwei Männer in einer Bar, und der eine sagt zum anderen:
«Für Sie als Satiriker muss das doch eine wunderbare Zeit sein!»
Worauf der Satiriker denkt: Halb elf?


(Tagesanzeiger 23. Juli 2018 "Wissen", Auszug aus einem Interview mit Gerd Antes)

"Mehr Daten bedeuten eben gerade nicht mehr Wissen. Im Gegenteil. (...), die Wahrscheinlichkeit für zufällige, aber falsche Korrelationen steigt schneller, als die Zahl der Daten selber zunimmt. Bei grossen Datenmengen wird dieser Effekt dramatisch. Man spricht in dem Zusammenhang auch von Rauschen. Der Lärm der falschen Korrelation überdeckt die tatsächlichen." (–> mehr)


Stuart Russell; (nzz, 24.06.2018) Wie verhindere ich, dass mein Hausroboter meine Katze kocht?

(...) Direkt zu programmieren, wird nicht besonders gut funktionieren. Das Problem mit solchen einprogrammierten Befehlen ist: Wie weit soll der Roboter gehen, um das Ziel zu erreichen? Angenommen, der nächste Kaffeeautomat ist 500 Kilometer entfernt oder der Kaffee kostet 25 Franken – wollen Sie dann immer noch, dass er Kaffee bringt, oder würden Sie Tee vorziehen? Wenn Sie dem Roboter sagen: «Hol mir Kaffee!», haben Sie das Problem, dass er alles aus dem Weg räumt, was seine Zielerreichung verhindern würde. Wenn ich eine Person bitte, mir einen Kaffee zu holen, erwarte ich nicht, dass diese Person im Starbucks alle anderen Leute in der Warteschlange neutralisiert, um schnell ans Ziel zu kommen; oder dass sie eben 500 Kilometer zurücklegt. Bei einem Roboter hingegen kann selbst so etwas Einfaches wie Kaffeeholen auf tausend Arten falsch laufen, wenn es zum Lebensziel der Maschine wird. (...)



Insektensterben (Die Zeit; Nr. 44/2017, 26. Oktober 2017)

Die Wahrheit auf sechs Beinen:
Die jährlich gesammelte Insektenmasse ist innerhalb der vergangenen 27 Jahre um mehr als 75 Prozent geschrumpft.
 

AKWs sind die Dombauten der Neuzeit

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis in die höchste Kategorie katastrophaler Unfälle eingeordnet.

Die Zielsetzung des „Shelter Implementation Plan“ ist, zunächst einen stabilen Zustand für die nächsten 50 - 100 Jahre zu erreichen. Wesentlich für die Umsetzung dieses Ziel ist die Errichtung eines neuen Einschlusses, ein "Atom-Sarkophag" (Fertigstellung 2019).

Die gesundheitlich gefährlichsten Elemente, die in die Umwelt gerieten, waren Jod 131 (Halbwertszeit 8 Tage) sowie die langlebigen Stoffe Strontium 90 (Halbwertszeit 28 Jahre) und Cäsium 137 (Halbwertszeit 30 Jahre).
Die ebenfalls hochgefährlichen Stoffe Plutonium 238 (Halbwertszeit 87,7 Jahre), Plutonium 240 (Halbwertszeit 6560 Jahre) und Plutonium 239 (Halbwertszeit 24'100 Jahre) haben die Umgebung des Reaktors in einem Umkreis von ca 100 Kilometer kontaminiert.

Der Kölner Dom wurde 2005 nach ca. 600-jähriger Bauzeit "fertiggestellt".

Anhänge:

Entropie
Der zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, Entropiesatz, ist einer der zentralen Sätze der Thermodynamik und Statistischen Mechanik, dem zufolge die Entropie S eines abgeschlossenen thermodynamischen Systems stets danach strebt, einen Maximalwert einzunehmen, der im vollständigen thermodynamischen Gleichgewicht erreicht wird. Das Anwachsen der Entropie durch jeglichen spontanen Prozess definiert in der Physik die Richtung der fortschreitenden Zeit. Ein Prozess, bei dem Entropie entstanden ist, kann nicht rückgängig gemacht werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Entropie





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