Editorial
Das INA orientiert sich an Überlegungen von Niklas Luhmann welcher
postuliert, dass
"es keine richtigen Entscheidungen gibt, sondern nur Möglichkeiten (...).
Und deshalb mag es sich empfehlen, Entscheidungen im Probierstil zu
entwerfen, sie unter Revisionsvorbehalt zu stellen, sie an
Lernmöglichkeiten auszurichten oder sie so zu wählen, dass sie mehr
Wahlmöglichkeiten erzeugen als vernichten."
Jorge Luis Borges hat uns davor gewarnt, von Karten im Massstab 1:1 zu
träumen, denn ein Wissen, welches die Welt „abdecken“ würde, wäre genauso
dunkel wie die Welt selbst.
Platon (428/427–348/347 v. Chr.);
Höhlengleichnis
Platon lässt Sokrates
folgende Geschichte erzählen:
In (einer) Höhle leben Menschen, die dort ihr ganzes Leben als Gefangene
verbracht haben. Sie betrachten die Schatten (auf der Wand) als Lebewesen
und deuten alles, was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf
der Wand abspielt, ist für sie die gesamte Wirklichkeit und schlechthin
wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den Schatten und versuchen in
deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus
Prognosen abzuleiten.
Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.
Wittgenstein, Über Gewissheit;
165. Ein Kind könnte zu einem sagen "Ich weiss, dass die Erde schon viele
hundert Jahre alt ist", und das hiesse: Ich habe es gelernt.
166. Die Schwierigkeit ist, die Grundlosigkeit unseres Glaubens
einzusehen.
Die Vorstellung einer "Natur im Gleichgewicht" ist vermutlich eine
menschliches Phantasie, naheliegender sind Überlegungen von Erich Jantsch,
dass
"gesunde" und widerstandsfähige Ökosysteme sich in der Regel fern vom
Gleichgewichtszustand (befinden)(...). Je näher das System dem
Gleichgewichtszustand kommt, desto weniger widerstandsfähiger wird es
(...)."
Sinn des Lebens
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik.
Von Steven Pinkert. nzz 5. januar 2017
(…) Warum diese Ehrfurcht vor dem zweiten Hauptsatz? Weil er den
letztgültigen Zweck des Lebens, des Geistes und des menschlichen Strebens
definiert: den Einsatz von Energie und Information zur Bekämpfung der
Entropie und zur Schaffung von Schutzräumen sinnvoller Ordnung. (…)
Entropie
Werkzeug 1
Ockhams Rasiermesser
- Von mehreren hinreichenden möglichen Theorien, für ein und denselben
Sachverhalt, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.
- Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und
Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen
zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
Werkzeug 2
HANLONS RASIERMESSER
Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was ausreichend durch Dummheit
erklärt werden kann.
Zeit Splitter
Die Organisation des Irrationalen
nzz 2024_0806 (Alexander Gerau)
(...) Denn das Ziel gesellschaftspolitischer Debatten ist nicht maximale
Wissenschaftlichkeit oder Rationalität. Ziel demokratischer Prozesse ist
es vielmehr, eine Vielzahl irrationaler, von Ängsten, Hoffnungen und
Sorgen bestimmter Haltungen unter einen Hut zu bringen.
Man könnte auch sagen:
Politik ist die Organisation des Irrationalen.(...)
Großes Schweigen
DIE ZEIT 19. September 2024 N° 40, Bernd Ulrich
(...) das zentrale Versprechen (wird) brüchig, die ökologische Krise könne
abgewendet werden, ohne dass an anderen Stellen gespart werden muss und
ohne dass die Menschen ihre Lebensweise ändern müssen. (...) Die
klimapolitische Glaubwürdigkeit erodiert in dem historischen Moment, da
erstmals ein bisschen Ernst gemacht wird mit der Transformation. Und
paradoxerweise gleichzeitig sich die ungeheure Wucht der Klimakrise zeigt.
Nun hegen viele Menschen einen Verdacht: Sie glauben, dass sie doch ihre
Lebensweise ändern sollen, sie glauben, dass Klimaschutz,
Klimakrisenprävention und Klimaschäden in summa so viel kosten, dass es
ohne grundlegende Umschichtung in den Haushalten und ohne beträchtliche
Umverteilung von oben nach unten nicht zu schaffen ist. (...)
nzz 2024_0410, Herbie Schmidt
Autonomes Fahren
(…)fahrerlosen Autos im Strassenverkehr. Seit dem Rückzug von Cruise und
der Zurückhaltung von Waymo herrscht weltweit Ernüchterung ob der
langsamen Fortschritte von fahrerlosen Autos im belebten Strassenverkehr.
«Mittlerweile hat sich die Erkenntnis breitgemacht, dass die Entwicklung
autonomer Fahrzeuge nicht in zwei oder drei Jahren erledigt ist, sondern
eher in zehn oder zwanzig Jahren», sagte Philip Koopman, Professor an der
Carnegie- Mellon-Universität in Pittsburgh,(...).
zurück in die Zukunft
tages anzeiger 2011_0324
Constantin Seibt zitiert den Bankier Hans J. Bär zu den Millionen Boni der
Firmenchefs,
dies sei ein: "Klassenkampf von oben" und urteilt: "Es fehlt die Anmut
beim Stehlen."
nzz 2024_0209 (Hans-Rudolf Zulliger, Physiker und Nuklear-Ingenieur)
(…)
Einige Gegner des neuen Stromgesetzes propagieren als Alternative
neuartige Atomkraftwerke. Als Nuklear-Ingenieur und Physiker entgegne ich
hier: Wer auf neue Atomkraftwerke setzt, fährt eine Hochrisikostrategie.
Und damit meine ich nicht einmal das Risiko eines atomaren GAU, den
radioaktiven Müll oder importiertes russisches Uran.
Wer jetzt auf neue Nukleartechnologie setzt, wettet auf ein Kraftwerk, das
frühestens in 25 Jahren Strom liefert.
(…)
Homöopathie 1
Kausalität, Korrelation und Koinzidenz
Vorab: Der Placebo-Effekt von Scheinmedikamenten ist ausreichend belegt
und findet auch in der Schulmedizin Anwendung.
In der NZZ vom 25.01.2024 zitiert Dennis Hoffmeyer, unter dem Titel "Auch
Goethe empfindet eine "lebhafte" Wirkung", aus einem Brief von Goethe:
"Ich glaube jetzt eifriger den je an die Lehren des wundersamen Arztes
(Samuel Hahnemann),seitdem ich die Wirkung einer allerkleinsten Gabe so
lebhaft gefühlt und immer wieder empfinde." In einem Leserbrief (NZZ vom
5.2.2024) breitet Fritz Egli den Kontext zu dieser Aussage aus. Die Zeilen
von Goethe beziehen sich auf ein Geschenk des Ehepaares Willemer, einer
Haarlocke der Marianne von Willemers in einem amulettartigen Medaillon.
"Eine feine Ironie liegt (...) darin, dass es ja nicht um eine Heilung
ging, sondern um das beglückende Wiederaufrufen schöner Erinnerungen."
Homöopathie 2
Tagesanzeiger 2024_0912, Markus Brotschi
>
(...) Klar ist, dass die Komplementärmedizin bei den Gesundheitskosten
kaum zu Buche schlägt. Der Kostenanteil liege im Promillebereich, sagte
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider. Die jährlichen Kosten
zulasten der Grundversicherung betragen rund 18 Millionen Franken, bei
Gesamtkosten der Grundversicherung von rund 40 Milliarden.(...)
Ausgehend vom Artikel in der nzz 2024_10129,
Hinweise zu drei Bauprojekten:
Die unendliche Geschicht der Atomkraftwerke, oder:
Lieber begehen wir die Fehler, die wir schon kennen,
denn etwas Neues zu versuchen.
– England
Im März 2013 wurde die Erweiterung von Hinkley Point um zwei weitere
Reaktoren (Hinkley Point C1 und C2) mit zusammen 3260 MW genehmigt.
Die Baukosten wurden auf ca. 18 Milliarden 20,9 Mrd. Euro veranschlagt.
Nach mehreren Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Bau ging EDF im
Februar 2023 von Baukosten in Höhe von 37,9 Mrd. Euro und einer
Inbetriebnahme im September 2028 aus.
– Frankreich
Baubeginn Kernkraftwerk Flamanville in der Normandie Ende 2007.
Électricité de France prognostizierte eine Fertigstellung 2012 und
Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.
Im Dezember 2022 wurde bekannt, dass die Mehrkosten auf 10 Milliarden und
die Gesamtkosten damit auf voraussichtlich 13,2 Milliarden ohne
Finanzierungskosten von rund 5 Milliarden € steigen. Die Befüllung mit
Brennstäben ist Mitte 2024 geplant.
– Finnland
Offizieller Baubeginn für Block 3 in Olkiluoto war der 12. August 2005.
Als Kaufpreis wurden ursprünglich etwa 3 Milliarden Euro für ein
"schlüsselfertiges" Kraftwerk vereinbart und damit einige wesentliche
Herstellungsrisiken auf die ausführenden Firmen verlagert.Die
Fertigstellung wurde für 2009 vereinbart.
Als der Reaktor am 18. Februar 2022 schließlich seinen Probebetrieb
aufnahm, waren die Investitionskosten auf das nahezu Vierfache der
ursprünglich geplanten Summe gestiegen. Sie betrugen circa 11 Milliarden
Euro.
Quelle zu allen 3 Projekten: de.wikipedia.org
AKWs sind die
Dombauten der Neuzeit
die zeit n°48 2023_1116, E. Finger
Israels Dilemma
(...) Es ist ein tragischer Konflikt, in dem es keine Option gibt,
schuldfrei zu handeln. (...)
nzz 2023_1019b, Žižek beklagt den «Ausschluss Andersdenkender»
Rede von Slavoj Žižek an der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse
"Der slowenische Philosoph (...)ergriff das Wort, brach den
vorherrschenden Konsens und provozierte erst Zwischenrufe und bald
Stühlerücken, als ein Teil des Publikums den Saal verliess."
Anlass zur Empörung war einmal mehr die Konjunktion "aber". Aus dem
Publikum kam der Einwand, dass man "angesichts des Leids in Israel
schlicht noch nicht in der Lage (sei) (...), über eine Kontextualisierung
nachzudenken."
Es gelte jetzt, "die Hamas Massaker (...) - als Synonyme für das absolut
Böse zu betrachten."
Dazu hat Friederich Nitzsche den Merksatz geschrieben: “Wer mit Ungeheuern
kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du
lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”
Der amerikanische Präsident hat in seiner Rede, anlässlich seines Besuches
in Israel, einen Hinweis gegeben wo die Gefahren des temporären
"Nachdenkverbotes" lauern. Er hat Israel gebeten, sich nicht von der Wut
auffressen, vom Hass leiten zu lassen. Die USA hätten als Reaktion auf
9/11, aufgrund dieser Beweggründe Fehler gemacht: "(...) we made also
mistakes".
Die Aufforderung, die Hamas als die Inkarnation des "absolut Bösen" zu
deklarieren nimmt als Kollateralschaden die Entmenschlichung der Angreifer
in Kauf und öffnet das Tor zu ebenso verabscheuungswürdigen Taten, im
Namen der Gerechtigkeit.
Wenn im Tagesanzeiger vom 19.10.2023 der Schriftsteller Thomas Meyer sagt:
"Aber dieser entfesselte Hass, diese absolute Bösartigkeit, das, was wir
am 7. Oktober erlebten, ist durch nichts zu rechtfertigen.", zeigt sich
die Aussichtslosigkeit alle Erscheinungsformen menschlichen Tuns adäquat
zu kommentieren.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Firnis unserer Kultur immer
wieder bricht, menschliches Verhalten uns rat- und fassungslos macht.
Der Kampf gegen das Ungeheure ist auch immer ein Kampf gegen das Ungeheuer
in uns.
Hinweis:
Sternstunde Philosophie vom 29.10.2023 SRF
Omri
Boehm, lässt sich ohne Hass über Nahost sprechen?
2023_1017,2023_1020 Heinz Baumann
Gedanken zum Überfall der Hamas auf den israelischen Staat
Kriege führen zwanghaft zu eindeutiger Parteinahme. Die Angreifer werden
dämonisiert, die Eigenen heroisiert, dies obwohl allen bewusst sein
müsste, dass es Kriege ohne Kriegsverbrechen nicht gibt; Zivilpersonen
werden verschleppt, Gefangene erschossen, Frauen vergewaltigt, Spitäler,
Schulen und Wohnhäuser bombardiert.
Wenn Kollektive ihre Ziele mit Gewalt durchsetzen wollen scheint die
Dämonisierung, Entmenschlichung der Anderen notwendig. Die Anderen sind
Teufel, Bestien, Tiere oder einfach nur Ungeziefer, deren Tod notwendig
wenn nicht sogar Gottgewollt ist.
Der israelische Staat steht nun vor der schwierigen Entscheidung wie auf
den Angriff der Hamas reagiert werden soll. Wieviel Leid und Tod
verursacht eine militärische Intervention unter der Bevölkerung in Gaza um
längerfristig einen Zustand von "Sicherheit" zu erreichen, ohne dass das
menschenverachtende, strategische Kalkül der Hamas, die Opfer an der
eigenen Zivilbevölkerung im Kampf gegen Israel einzusetzen, aufgeht.
Es bleibt zu hoffen, dass Israel einen Weg findet Sicherheit für die
Bevölkerung herzustellen ohne sich eine Last aufzubürden die zukünftige
Möglichkeiten allzu stark einschränkt.
Die Robotaxis stauen sich in San Francisco (nzz, 19.08.2023)
(...) Ärger hat es in San Francisco schon bei den ersten Fahrten von
Robotaxis im Juni 2023 gegeben, als die Bewilligung nur fÜr den
Nachtbetrieb von Cruise galt. Die Feuerwehr berichtete von Zwischenfällen,
bei denen ihr Rettungsdienst von Robotaxis behindert wurde. Sie
kritisierte, dass die fahrerlosen Taxis gelbe Absperrbänder durchfuhren,
Warnschilder vor Strassen mit sturmgeschädigten Stromleitungen
ignorierten, Feuerwehreinfahrten blockierten oder auf einem
Feuerwehrschlauch im Löscheinsatz parkierten. (...)
(...) Ende Juni kam es in San Francisco zu einem weiteren Zwischenfall
beim Fahrdienst Cruise. Eine Reihe von Robotaxis traf sich auf einer der
Strassen und blockierte die Fahrbahn. Das Unternehmen führte dies auf
einen Fehler im Cruise- Algorithmus zurück, der Elemente künstlicher
Intelligenz enthält. (...).
Nur mit Regeln ist automatisiertes Fahren ein Segen (nzz, 01.11.2017)
(...) Demgegenüber erachten es die Fachleute als «fragwürdig», ob die
Automatisierung angesichts des komplexeren Mischverkehrs die Leistung von
Haupt- und Nebenstrassen zu steigern vermag. Ohne eine sorgfältige und
fortwährend angepasste Definition der Rahmenbedingungen habe die
Automatisierung des Strassenverkehrs namentlich in Städten sogar das
Potenzial, den Verkehr lahmzulegen – unter anderem weil Fahrzeuge
plötzlich auch leer verkehren könnten. (...)
Eduard Kaeser (nzz, 20.07.23)
Die Unbegreiflichkeit unserer Maschinen
(...) Wir wissen mittlerweile ziemlich gut Bescheid über Rechner, aber wir
wissen noch lange nicht, wie das Gehirn funktioniert, und selbst wenn wir
es wüssten, bedeutete das nicht, dass das Gehirn ein Rechner ist. Der
Rechner ist nüchtern gesehen eine heuristische Metapher. Und wenn wir die
Metapher mit dem verwechseln, wofür sie steht, dann erliegen wir einer
epochalen Missdeutung. (...)
hb 2022_0816
Frei nach dem Star Trek Motto "Where no man has gone before" wird uns in
Schrift und bewegten Bildern die Reise in ferne, kosmische Spähren
beschrieben. Der "kleine Hüpfer" auf den Mars erscheint da nur als
Randbemerkung zu viel Grösserem.
Ein kleines Problem bleibt, welches uns auch dem heimischen Raumschiff
Erde beschäftigt, die Frage nach der ENERGIE.
Es ist alles so unglaublich weit weg, da bräuchte man Raumschiffe die so
richtig schnell fliegen.
Nur um Geschindigkeit zu erlangen braucht's Energie. Ca 25'000 Tonnen
Wasserstoff braucht es
um 1 kg Masse auf einen Viertel der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen.
Details im Link nebenan unter E=m*c^2
Ob jemand zu Verschwörungstheorien neigt ist nicht eine Frage der
politische und/oder weltanschaulichen Haltung.
woz Nr.. 12/2010
Karl W. Deutsch aus "Nationalism and its Alternatives" (1969):
"Eine Nation...ist eine Gruppe von Personen, vereint durch einen
gemeinsamen Irrtum über ihre Vorfahren und eine gemeinsame Aversion
gegenüber ihren Nachbarn."
Neue_Zürcher_Zeitung_2021-11-23
Am letzten Freitag ist der 18-jährige Kyle Rittenhouse von den
Geschworenen in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Er hatte am
25. August 2020 während eines nächtlichen Anti-Rassismus-Protests in
Kenosha, Wisconsin, zwei Männer mit einem AR-15-Gewehr erschossen und
einen verletzt. Nach vier Tagen Beratung – eine ungewöhnlich lange Zeit
für eine Jury – sprachen die Geschworenen Rittenhouse vom Vorwurf des
Mordes, des versuchten Mordes und des Totschlags frei. Der Angeklagte habe
von seinem Grundrecht auf Notwehr und Selbstverteidigung Gebrauch gemacht.
(...) es (ging) im Fall Rittenhouse gar nicht um «Black Lives». Alle
Beteiligten waren Weisse, was natürlich nicht ausschliesst, dass
Rittenhouse ein weisser Suprematist ist. Die Frage ist aber: Hat der junge
Mann zwei Menschen aus niederen Beweggründen und im Glauben an die
Überlegenheit der eigenen Rasse getötet? Genau diese Frage haben die
Geschworenen verneint. Trotzdem werden auch in der Debatte um Rittenhouse
die Hautfarben gegeneinander ausgespielt. Es wird «Blackness» evoziert, wo
keine ist, und es wird «Whiteness» betont, wo es gerade passt. Nur wenige
Stimmen wie die Zeitschrift «The New Yorker» oder der unabhängige
Journalist Matt Taibbi versuchten ein differenzierteres Bild zu zeigen.
Man hätte im Zusammenhang mit dem Fall Rittenhouse durchaus die laschen
amerikanischen Waffengesetze kritisieren können, die es auch
Minderjährigen unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, eine Schusswaffe
zu tragen.
Bernd Stegemann (nzz, 08.11.21)
Linke Identitätspolitik (versus rechte ...)
(...) es braucht (...) eine grössere Diskursfähigkeit, um linke
Identitätspolitik betreiben zu können, weil man dabei immer diesen
Doppelschritt machen muss: zunächst zu erkennen, dass jede Identität ein
Konstrukt ist, dann aber selbst eine Opferposition zu konstruieren, die
ihrerseits auf gar keinen Fall dekonstruiert werden darf. Das ist in der
Tat raffiniert, weil man je nach Belieben zwischen zwei Positionen hin und
herspringen kann: Mal schiebt man die Opferposition nach vorne, weil man
einen Vorteil davon hat, etwa wenn es um die Besetzung von Posten anhand
einer Quote geht. Wenn man aber von anderen auf das Geschlecht oder die
Ethnie reduziert wird, klagt man über Rassismus oder Sexismus.
Thomas Ribi (nzz, 02.08.21)
Sinn Suche
Es scheint, als ob wir nicht leben könnten ohne den Verdacht, alles, was
sich ereignet, lasse sich schlüssig erklären – ein Verdacht, der sich zu
der quälenden Gewissheit steigert, der Welt liege ein Sinn zugrunde.
Obwohl man sich eine Welt, in der das so wäre, nur mit Schaudern
vorstellen wird. In einer solchen Welt wäre immer klar, was weshalb
geschieht. Es wäre fraglos, wer wofür verantwortlich ist. Die reine Hölle.
Autonomes Fahren
Carsten Breitfeld (nzz, 05.06.21)
Werden Systeme die (...) autonomes Fahren (Level 5) ermöglichen so schnell
kommen, wie Tesla behauptet?
Vollautomatisiertes Fahren, so genanntes Level 4* und darüber, das ist
eine völlig andere Welt. Sie werden irgendwann möglich werden, aber in den
nächsten fünf bis zehn Jahren dürften erst einmal nur Subsysteme in
bestimmten Testgebieten und unter einschränkenden Randbedingungen
eingesetzt werden, jedoch wohl kaum flächendeckend.
*Level 4 ist die Vorstufe zum autonomen Fahren, bei der das Fahrzeug den
überwiegenden Teil seiner Fahrt selbständig navigiert. Die Technologie für
das automatisierte Fahren in Level 4 ist soweit weiterentwickelt, dass das
selbstfahrende Auto sogar hochkomplexe urbane Verkehrssituationen, z.
B. plötzlich auftretende Baustellen, ohne Eingriff des Fahrers meistern
kann. Der Fahrer muss dennoch fahrtüchtig sein, um im Bedarfsfall die
Fahraufgabe übernehmen zu können.
Level 1: Assistierter Modus. Bestimmte Assistenzsysteme helfen bei der
Fahrzeugbedienung
Level 2: Assistierter Modus. Teilautomatisierung. Funktionen wie
automatisches Einparken, Spurhalten, etc.
Level 3: Automatisierter Modus. Das System übernimmt, zum Beispiel, auf
der Autobahn bis zu 60 km/h bei guten Witterungsbedingungen die Fahrt. Ab
2017 in Deutschland zugelassen.
Level 4: Autonomer Modus. Hochautomatisierung. Die Führung des Fahrzeugs
wird dauerhaft vom System übernommen.
Level 5: Autonomer Modus. Vollautomatisierung. Kein Fahrer erforderlich.
Außer dem Festlegen des Ziels und dem Starten des Systems ist kein
menschliches Eingreifen erforderlich.
tlu. (nzz, 18.04.21)
Korrelation versus Kausalität
Wer in der Lebensmitte regelmässig Sport treibt, kann sein Demenzrisiko
senken – dies haben verschiedene Arbeiten gezeigt. Eine neue Studie kommt
nun zu einem anderen Schluss. 1714 Frauen unterzogen sich während 20
Jahren mehrmals Gedächtnistests («Jama»). Ein Zusammenhang zwischen dem
kognitiven Abbau und der sportlichen Aktivität liess sich aber nicht
feststellen, auch dann nicht, wenn Hormon- und sozioökonomischer Status
sowie andere Risikofaktoren berücksichtigt wurden. Möglicherweise habe man
in früheren Studien die umgekehrte Kausalität übersehen, so die Autoren.
Demnach verhielte es sich so: Wer geistig abbaut, treibt auch weniger
Sport
Claudia Wirz (nzz, 12.04.21)
Man konnte, im Zweiten Weltkrieg, auf den Fussballfeldern oder dem
Sechseläutenplatz so viel Ackerfrüchte anpflanzen, wie man wollte, der
Selbstversorgungsgrad der Schweiz stieg nur geringfügig von 52 auf 59
Prozent. Und auch das war nur möglich, weil der Plan eine deutliche
Senkung der Kalorienzahl pro Tag und Kopf einpreiste.
(Ergänzung von hb: Gemäss BWL (2016) ist der Grad der Selbstversorgung
auch heute noch relativ konstant unter 60%)
Bernhard Pörksen (nzz, 12.08.2020)
Meinen und Behaupten in unserer Zeit. Die polemisierende Kulturkritik
leidet unter Wirklichkeitsverlust. (…) Aber was ist das überhaupt, die
Realität? Gefragt hat dies einst eine Philosophiestudentin den
Science-Fiction- Autor Philip K. Dick, einen Meister im Entwerfen
imaginärer Welten. Allerdings bestand die Studentin auf einer
Ultrakurzdefinition. Nur ein Satz, mehr dürfe es nicht sein, so verlangte
sie. Schliesslich lieferte Philip K. Dick die Summe seines Nachdenkens:
«Realität ist das, was nicht weggeht, auch wenn man nicht daran glaubt.» .
Eduart Kaeser; (nzz, 30.05.2020)
Künstliche Intelligenz bleibt uns zutiefst fremd. Wir schaffen mit ihr im
Grunde unsere eigenen Aliens. Und diese Aliens werden sich, trotz allen
Bemühungen, wahrscheinlich nicht unserem Alltag angleichen. Eher passen
wir unseren Alltag ihnen an. Das Problem sind also nicht superschlaue
Maschinen, sondern subschlaue Menschen.
James Montier; Ökonom (nzz, 23.12.2018)
«In klinischen Studien wurde eine Gruppe von Menschen ausfindig gemacht,
die die Realität so wahrnehmen, wie sie wirklich ist.» Es seien die
klinisch Depressiven. «Dies lässt uns eine wenig beneidenswerte Wahl –
entweder sind wir glücklich und verblendet oder traurig und akkurat.»
Anleger in ihrer Gesamtheit seien viel zu optimistisch. «Wenn Investoren
eine Hymne hätten, wäre diese fast sicher «Always Look on the Bright Side
of Life.»
Und Luxus brauchen Sie nicht? (nzz, 15.08.2018)
Ein Einfamilienhaus, ein Auto, das mich von A nach B bringt, eine tolle
Familie.
Ich habe alles, was ich brauche.
(Christian Stucki der stärkste Schwinger der älteren Generation)
Wie klingt Musik in künstlichen Ohren? (nzz, 28.07.2018, Adrian Lobe)
In der Vorstellung von selbständig agierenden «Denkmaschinen» zeige sich
eine Art Animismus, wie ihn weniger industrialisierte Kulturen pflegen.
Künstliche Intelligenz sei daher gewissermassen «Animismus für die
Reichen», (...).
KI (vermag) immer noch nicht Metaphern oder Ironie zu verstehen. Bei einem
Witz lache jeder, nur die KI nicht.
(–>
mehr)
Da sitzen zwei Männer in einer Bar, und der eine sagt zum anderen:
«Für Sie als Satiriker muss das doch eine wunderbare Zeit sein!»
Worauf der Satiriker denkt: Halb elf?
(Tagesanzeiger 23. Juli 2018 "Wissen", Auszug aus einem Interview mit Gerd
Antes)
"Mehr Daten bedeuten eben gerade nicht mehr Wissen. Im Gegenteil. (...),
die Wahrscheinlichkeit für zufällige, aber falsche Korrelationen steigt
schneller, als die Zahl der Daten selber zunimmt. Bei grossen Datenmengen
wird dieser Effekt dramatisch. Man spricht in dem Zusammenhang auch von
Rauschen. Der Lärm der falschen Korrelation überdeckt die tatsächlichen."
(–>
mehr)
Stuart Russell; (nzz, 24.06.2018) Wie verhindere ich, dass mein
Hausroboter meine Katze kocht?
(...) Direkt zu programmieren, wird nicht besonders gut funktionieren. Das
Problem mit solchen einprogrammierten Befehlen ist: Wie weit soll der
Roboter gehen, um das Ziel zu erreichen? Angenommen, der nächste
Kaffeeautomat ist 500 Kilometer entfernt oder der Kaffee kostet 25 Franken
– wollen Sie dann immer noch, dass er Kaffee bringt, oder würden Sie Tee
vorziehen? Wenn Sie dem Roboter sagen: «Hol mir Kaffee!», haben Sie das
Problem, dass er alles aus dem Weg räumt, was seine Zielerreichung
verhindern würde. Wenn ich eine Person bitte, mir einen Kaffee zu holen,
erwarte ich nicht, dass diese Person im Starbucks alle anderen Leute in
der Warteschlange neutralisiert, um schnell ans Ziel zu kommen; oder dass
sie eben 500 Kilometer zurücklegt. Bei einem Roboter hingegen kann selbst
so etwas Einfaches wie Kaffeeholen auf tausend Arten falsch laufen, wenn
es zum Lebensziel der Maschine wird. (...)
Insektensterben (Die Zeit; Nr. 44/2017, 26. Oktober 2017)
Die Wahrheit auf sechs Beinen:
Die jährlich gesammelte Insektenmasse ist innerhalb der vergangenen 27
Jahre um mehr als 75 Prozent geschrumpft.
AKWs sind die Dombauten der
Neuzeit
Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in
Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt
Prypjat. Auf der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für
nukleare Ereignisse wurde sie als erstes Ereignis in die höchste Kategorie
katastrophaler Unfälle eingeordnet.
Die Zielsetzung des „Shelter Implementation Plan“ ist, zunächst einen
stabilen Zustand für die nächsten 50 - 100 Jahre zu erreichen. Wesentlich
für die Umsetzung dieses Ziel ist die Errichtung eines neuen Einschlusses,
ein "Atom-Sarkophag" (Fertigstellung 2019).
Die gesundheitlich gefährlichsten Elemente, die in die Umwelt gerieten,
waren Jod 131 (Halbwertszeit 8 Tage) sowie die langlebigen Stoffe
Strontium 90 (Halbwertszeit 28 Jahre) und Cäsium 137 (Halbwertszeit 30
Jahre).
Die ebenfalls hochgefährlichen Stoffe Plutonium 238 (Halbwertszeit 87,7
Jahre), Plutonium 240 (Halbwertszeit 6560 Jahre) und Plutonium 239
(Halbwertszeit 24'100 Jahre) haben die Umgebung des Reaktors in einem
Umkreis von ca 100 Kilometer kontaminiert.
Der Kölner Dom wurde 2005 nach ca. 600-jähriger Bauzeit "fertiggestellt".
Anhänge:
Entropie
Der zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, Entropiesatz, ist einer der
zentralen Sätze der Thermodynamik und Statistischen Mechanik, dem zufolge
die Entropie S eines abgeschlossenen thermodynamischen Systems stets
danach strebt, einen Maximalwert einzunehmen, der im vollständigen
thermodynamischen Gleichgewicht erreicht wird. Das Anwachsen der Entropie
durch jeglichen spontanen Prozess definiert in der Physik die Richtung der
fortschreitenden Zeit. Ein Prozess, bei dem Entropie entstanden ist, kann
nicht rückgängig gemacht werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Entropie
seitenanfang